Stolperstein für
Sophie Marcus, geborene Simon
Adresse: Friedenstraße 4
Sophie Simon wurde am 15. September 1879 in Frankfurt an der Oder geboren. Über ihr Elternhaus, ihre Kindheit und Jugend in Frankfurt haben sich keine Zeugnisse erhalten. Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt zog Sophie Simon in die Reichshauptstadt Berlin, wo sie um die Jahrhundertwende lebte. 1903 heiratete sie in Berlin den acht Jahre älteren, aus der brandenburgischen Kleinstadt Beeskow stammenden Kaufmann Alfred Marcus. Seinen Lebensunterhalt bestritt das Ehepaar durch Alfreds Kommissionsgeschäft für Leder- und Schuhwaren „M. Philippsohn“ am Alexanderplatz, dessen Inhaber er bis 1907 war. Anschließend betrieb er unter eigenem Namen einen gleichartigen Gewerbebetrieb im Prenzlauer Berg in der Greifswalder Straße.
1907 besuchten Alfred und Sophie Marcus die USA. In der Passagierliste des Dampfschiffs „Deutschland“ der Hamburg-Amerika-Linie, das im Juli von Hamburg über die Häfen Cherbourg und Southampton den Zielhafen New York ansteuerte, sind sie als „Reisende“ aufgeführt. Zurück in Berlin suchte sich das Ehepaar 1909 eine neue Wohnung in der Blücherstraße 66 nahe der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg. Hier wohnten sie vier Jahre, zogen anschließend in die Friedenstraße 11 und wohnten ab 1914 schließlich in einer Wohnung in der Friedenstraße 4 am Volkspark Friedrichshain.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Marcus. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten war das Ehepaar auch als Geschäftsführer von den antisemitischen Kampagnen, Anfeindungen und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in Boykott-Aktionen und den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin fanden. 1940 wurde das Geschäft „A. Marcus“ liquidiert. Ab Oktober 1941 mussten beide Ehepartner Zwangsarbeit in Berlin leisten. Sophie Marcus war zu diesem Zeitpunkt 62, Alfred 70 Jahre alt.
Am 13. Juli 1942 wurde das Ehepaar mit dem 20. Alterstransport von Berlin aus nach Theresienstadt deportiert und im Ghetto ein Quartier im Erdgeschoss des Hauses Q406 („Neue Gasse 6“) zugewiesen. Alfred Marcus überlebte die katastrophalen Lebensbedingungen im Ghetto Theresienstadt nur wenige Monate. Er starb am 20. Dezember 1942. Als Todesursache notierten die NS-Ärzte „Darmkatarrh und Herzschwäche“. Eine der üblichen Umschreibungen der Ermordung im Ghetto durch Mangelernährung, Kälte, Überanstrengung und Vernachlässigung. Sophie Marcus überlebte ihren Ehemann kaum drei Monate. Sie wurde am 16. März 1943 in Theresienstadt durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung ermordet.
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Biographische Zusammenstellung / Autor:
Indra Hemmerling
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Quellen:
Berliner Adressbücher 1903-1942. Online unter: zlb.de (aufgerufen am 17. Juli 2017).
Ergänzungskarten für Angaben über Abstammung und Vorbildung aus der Volkszählung vom 17. Mai 1939 im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (Bestand R 1509).
Deportationsliste. Reproduktion im National Archives and Records Administration, USA, Signatur A3355. Online unter: statistik-des-holocaust.de (aufgerufen am 7. Juli 2017): 20. Alterstransport (Nr. 38 Alfred Marcus; Nr. 39 Sophie Marcus).
Opferdatenbank Theresienstadt. Online unter holocaust.cz (aufgerufen am 17. Juli 2017): Todesfallanzeige Alfred Marcus.
Passagierliste der „Deutschland“ der Hamburg-Amerika-Linie vom Juni 1907. Online unter: ancestry.com (aufgerufen am 17. Juli 2017).
Sylvia Kolley: Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg und Preußen. Zuletzt aktualisiert Sept. 2017: Genealogische Angaben zur Familie Marcus unter: http://www.luckauer-juden.de/nvz2.html (aufgerufen am 10. September 2017).
Christoph Kreutzmüller: Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930–1945. Datenbank der HU-Berlin (aufgerufen am 17. Juli 2017): Alfred Marcus. Häute und Felle (Leder- und Schuhwaren). Gegründet 1910, Übernahme 1931, Liq.: 1940. Greifswalder Strasse 26/27 (Prenzlauer Berg).