Stolperstein für

Gerhard Levy

Adresse: Hufelandstraße 31

 

Gerhard Levy wurde am 28. August 1931 in Berlin geboren. Zu seinem kurzen Leben haben sich nur wenige Quellen erhalten. Er war der Sohn des in Berlin arbeitenden Glasers Hermann Levy (auch Lewy) und der Verkäuferin Johanna Levy, geborene Raphael. Gerhard hatte eine ältere Schwester namens Ruth Levy, die im April 1923 zur Welt gekommen war. Seine Eltern hatten nicht lange zuvor, kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs, im Januar 1920 in Berlin geheiratet. Seine Mutter Johanna war 1897 im damals westpreußischen Inowrazlaw (dem heutigen Inowrocław) geboren worden und als junge Frau mit ihren Eltern Raphael Raphael und Amalie Raphael, geborene Wolff, nach Berlin gekommen. Gerhards Vater, der drei Jahre älter als Johanna war, stammte aus Zempelburg (dem heutigen Sępólno Krajeńskie) und siedelte vermutlich Ende der 1910er-Jahre in die Hauptstadt über. Seine Wohnung in der Weißenburger Str. 72 gab er nach der Hochzeit auf und zog zu seiner Ehefrau in die Neuen Königstraße 78 (der heutigen Otto-Braun-Straße) nahe dem Alexanderplatz. Hier kamen Ruth und Gerhard zur Welt. Über das Leben der Levys im Berlin der Weimarer Republik haben sich keine weiteren Zeugnisse erhalten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Levy. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. 1933/1934 zogen die Levys mit ihren zwei kleinen Kindern in die Chodowieckistraße 9 im Winsviertel. Gerhard Levy besuchte hier ab 1938/1939 eine Jüdische Volksschule, vermutlich die Volksschule der Jüdischen Gemeinde in der Rykestraße. Diese hatte in den letzten Jahren ihre Schülerzahl fast verfünffacht, nachdem die Atmosphäre in den staatlichen Bildungsanstalten durch die NS-Rassen- und Bildungspolitik unerträglich geworden war. Nach den Pogromen im November 1938 war jüdischen Schülern schließlich der Besuch von öffentlichen Schulen untersagt worden. In diesen Jahren, als Gerhard sechs oder sieben Jahre alt war, starb sein Vater Hermann in Berlin unter ungeklärten Umständen. Seine Mutter heiratete zwischen 1939 und 1942 erneut und nahm den Namen ihre Mannes Kuttner an. Allerdings war die Ehe von kurzer Dauer und wurde vor 1943 wieder geschieden. Gerhard war inzwischen der Schulbesuch gänzlich verboten worden. Anfang der 1940er-Jahre hatten die Bildungseinrichtungen der Jüdischen Gemeinde in Berlin noch versucht, ihren Schülern so gut es ging eine Zufluchtsstätte zu bieten und sie den Hass der Umwelt für wenige Stunden vergessen zu lassen. Doch die immer bedrückender werdenden Lebensverhältnisse und die täglichen Schikanen drangen auch in die Schulwelt ein. Spätestens seit 1941 war Gerhards Mutter gezwungen, Zwangsarbeit zu verrichten – zuletzt in einem Betrieb in der Großen Frankfurter Straße 134 (heute Karl-Marx-Allee). Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnte sich Gerhard Levy – gerade 11 Jahre alt geworden –, seine 18-jährige Schwester Ruth und seine Mutter nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Oktober 1941 waren Gerhards Mutter Johanna und er noch in eine 2-Zimmer-Wohnung in der Weißenburger Str. 72 umgezogen, die sie sich mit jüdischen Untermieter teilten; seine Schwester Ruth verblieb in der Wohnung Chodowieckistraße. Ende Februar 1943 wurden die drei im Zuge der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verbracht worden. Von dort sind Johanna und Gerhard Levy am 1. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft am 2. März – ermordet worden. Gerhard Levy war zum Zeitpunkt der Deportation 12 Jahre alt. Gerhards Schwester Ruth wurde am 3. März 1943 ebenfalls nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

 

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Biographische Zusammenstellung / Autor:

Indra Hemmerling

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Quellen:

Deportationslisten. Reproduktion im National Archives and Records Administration, USA, Signatur A3355: Gerhad Lewy, 31. Osttransport (Lfd-Nr. 687); Johanna Kuttner, geb. Raphael verw. Levy (Lfd-Nr. 686); Ruth Lewy, 33. Osttransport (Lfd-Nr. 1032). Online unter: statistik-des-holocaust.de (aufgerufen am 22. Oktober 2018).
Eheurkunde Johanna und Hermann Levy (Nr. 80, Berlin am 20. Januar 1920). Heiratsregister der Berliner Standesämter 1874–1920. Landesarchiv Berlin. Faksimile online unter: ancestry.com (aufgerufen am 22. Oktober 2018).
Schülerkartei zu Gerhard Levy. Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RvD) Card File. Im Archiv des ITS Arolsen. Online unter: https://digitalcollections.its-arolsen.org/01020401/name/view/733154 (aufgerufen 22. Oktober 2018).
Ehlert, Martin-Heinz: Jüdische Schulen unterm Hakenkreuz. BLZ 06/2005. Online unter: https://www.gew-berlin.de/1809_2289.php (aufgerufen 22. Oktober 2018).