Stolperstein für
Frieda Brasch
Adresse: Kirchstraße 22
Frieda Nora Brasch wurde am 18. November 1890 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Julius Adolf Brasch und seiner Frau Betty, geb. Berg. Ihre Eltern hatten zwei Jahre vor der Geburt von Frieda in Berlin geheiratet. Julius Adolf Brasch war Mitinhaber der Engros-Handlung für Papier, Pappen und Leim „Wahrenberg & Brasch“, die Ende der 1880er-Jahre in der Neuen Königstraße 30 (heute Otto-Braun-Straße) ihren Firmensitz hatte. In späteren Jahren wird ihr Vater in den Berliner Adressbüchern als Handelsvertreter auswärtiger Häuser geführt. Ihre Mutter stammte aus Groß Strehlitz (dem heutigen Strzelce Opolski) und war vermutlich nicht lange vor der Hochzeit nach Berlin gezogen. Frieda Nora Brasch sollte das einzige Kind des Ehepaares bleiben. Aus der Familie ihrer Mutter lebten noch weitere Familienmitglieder in der Hauptstadt: Ihr Onkel Arthur Berg (*1866), der 1919 in Berlin verstarb, sowie ihre Tante Hedwig Hirschmann, geb. Berg (*1870) mit ihrem Ehemann Felix Hirschmann und ihren Kindern Hertha (*1894), Margot (*1895), Carl (*1896), Werner (*1899) und Hulda (*1901). Friedas Tante Anna Beer, geb. Berg, geschiedene Ehrenfeld (*1872) lebte mit ihrem Sohn Miksa Ehrenfeld (*1898 oder 1899) in Wien.
Zum Zeitpunkt der Geburt von Frieda wohnte die Familie in der Elsässer Straße 76 (heute Torstraße) in Mitte. Um die Jahrhundertwende folgten mehrere Umzüge, zunächst Ende der 1890er-Jahre in die Weinmeisterstraße 9 (1895–1901), dann in die Spenerstraße 1 in Moabit (1902) und ab 1903 in die Alexanderstraße 68 in Mitte, bevor sie sich ab 1908 schließlich in der Kirchstraße 22 in Moabit niederließen. Am 17. Juli 1917 verstarb Friedas Vater im Alter von 62 Jahren. Ihre Mutter lebte als verwitwete Privatiere weiter in der Wohnung in der Kirchstraße 22. Frieda Nora Brasch war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls an dieser Adresse gemeldet und in Berlin als Bürobeamtin beschäftigt. Leider haben sich keine Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben der beiden Frauen im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Frieda Nora Brasch. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität, Erlasse und Sondergesetze drängten Frieda Nora Brasch zunehmend in die Position einer Rechtlosen. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Spätestens in den 1940er-Jahren musste Frieda Brasch außerdem Zwangsarbeit im Werk S der „Osram GmbH“ in der Helmholtzstraße 4 in Charlottenburg leisten.
Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdischen Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Frieda Nora Brach musste im September 1942 die Deportation ihrer 74-Jährigen Mutter miterleben: Betty Brasch wurde mit dem „2. großen Alterstransport“ aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie überlebte nur wenige Monate im Ghetto, bevor sie am 19. April 1943 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Frieda Nora Brasch wurde im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, Ende Februar 1943 in Berlin verhaftet. Am 1. März 1943 wurde die 52-Jährige mit dem „31. Osttransport“ aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet.
<<<>>>
Biographische Zusammenstellung / Autor:
Indra Hemmerling
<<<>>>
Quellen:
Gedenkbuch. Online unter: bundesarchiv.de/gedenkbuch (aufgerufen am 15. Mai 2021).
Berliner Adressbücher 1870–1943; Jüdisches Adressbuch für Gross-Berlin 1929/1930 und 1931/1932; Berliner Telefonbuch 1908, 1932, 1934, 1936 und 1940. Online unter: zlb.de (aufgerufen am 26. Juli 2021).
Opferdatenbank Yad Vashem. Central DB of Shoah Victims’ Names. Online unter: http://yvng.yadvashem.org (aufgerufen am 26. Juli 2021).
Ergänzungskarten für Angaben über Abstammung und Vorbildung aus der Volkszählung vom 17. Mai 1939 im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (Bestand R 1509).
Deportationslisten. Reproduktion im National Archives and Records Administration, USA, Signatur A3355: Frieda Brasch, „31. Alterstransport“ (Lfd-Nr. 221); Betty Brasch, geb. Berg, „2. Gr. Alterstransport“ (Lfd-Nr. 581). Online unter: statistik-des-holocaust.de (aufgerufen am 26. Juli 2021).
Geburtsanzeige Frieda Nora Brasch (Nr. 2449, Berlin am 25. November 1890). Geburtsregister der Stadt Berlin. Landesarchiv Berlin. Online unter: ancestry.com (aufgerufen am 26. Juli 2021).
Todesanzeige Adolf Brasch (Nr. 162, Berlin am 17. Juli 1917); Artur Berg (Nr. 1436, Berlin am 23. April 1919). Register der Stadt Berlin. Online unter: ancestry.com (aufgerufen am 26. Juli 2021).
Eintrag zu Betty Brasch in der Opferdatenbank Theresienstadt. Online unter: https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/7069-betty-brasch/ (aufgerufen am 26. Juli 2021).