Stolperstein für

Leopold Alfred Arnheim

Adresse: Brunnenstraße 194

 

Leopold Alfred Arnheim wurde am 26. November 1870 in Berlin geboren. Er war der Sohn von Gustav Joseph Arnheim und Henriette Arnheim, geborene Arndt. Leopold hatte zwei Geschwister: die ein Jahr ältere Schwester, Rosalie Arnheim, und einen jüngeren Bruder namens Georg, der 1872 geboren wurde. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Leopold und seinen Geschwistern haben sich keine Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur Jüdischen Gemeinde Berlins. Nach seinem Schulabschluss studierte Leopold Arnheim Medizin, erhielt 1894 seine Approbation und promovierte 1896 an der Universität Gießen mit der Arbeit „Zur Casuistik der Zwerchfellshernien“. Zwischen 1894 und 1896 war er an der Poliklinik für Harnkrankheiten Berlin tätig, danach bis 1899 in der dermatologischen Abteilung des städtischen Obdachlosenasyls „Palme“ (offiziell: Städtisches Obdach) in der Fröbelstraße 15 im Prenzlauer Berg. 1903 ließ sich Leopold Arnheim als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Urologe in Berlin nieder. Seine Praxis lag in der Brunnenstraße 194, wo Leopold Arnheim mehr als 30 Jahre wirkte und praktizierte. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben des Arztes im Berlin der Kaiserzeit und der Weimarer Republik vermitteln könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Leopold Arnheim. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Abgesehen von Boykottmaßnahmen, behördlichen Schikanen und Verhaftungsaktionen wurde die Schlinge für jüdische Ärzte durch eine Flut von Verordnungen und Gesetze schrittweise enger gezogen: So wurden mit insgesamt sieben Verordnungen von 1933 bis 1937 „nichtarischen“ Ärzten nach und nach die Kassenzulassungen entzogen; mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren sie vom öffentlichen Gesundheitswesen ausgeschlossen, mit der Verordnung vom 20. November 1933 durften sie keine ärztlichen Fortbildungskurse mehr besuchen und wurden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgeschlossen; ab dem Jahr 1936 durften sie nicht mehr mit „deutschstämmigen“ Ärzten zusammenarbeiten. Am 30. September 1938 wurde Leopold Arnheim, wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Approbation entzogen und er musste seine Praxis in der Brunnenstraße schließen. Das Leben in Berlin Ende der 1930er- und Anfang der 1940er-Jahre wurde für den Arzt zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte er sich nach der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Vermutlich hatte er spätestens seit Anfang der 1940er-Jahre auch Zwangsarbeit leisten müssen, dazu haben sich aber keine eindeutigen Zeugnisse erhalten.

Der Demütigung und Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlin mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Im Herbst 1942 erhielt Leopold Arnheim den Deportationsbescheid. Er musste sich in einem der Berliner Sammellager einfinden und wurde von dort mit dem „3. großen Alterstransport“ am 3. Oktober 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Leopold Arnheim überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto kaum zwei Monate, bevor er am 29. Dezember 1942 ermordet wurde – entweder durch direkte Gewalteinwirkung oder indirekte mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Leopold Alfred Arnheim ist 72 Jahre alt geworden.

Nur wenige der Familienangehörigen von Leopold Arnheim überlebten die NS-Verfolgung: Sein Bruder Georg Arnheim war bereits im Januar 1942 aus Berlin nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Seine Schwester Rosalie Arnheim, verheiratete Baer, war 1942 nach Theresienstadt deportiert worden. Sie starb dort am 15. August 1944. Ihr Mann Nathan Baer war im November 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet worden. Die Tochter von Nathan und Rosalie Baer, Charlotte Fanny Baer, verwitwete Pauson, wurde mit dem gleichen Transport wie Leopold Arnheim am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt und am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurde. Deren Tochter Eva Henriette Punitzer, geborene Pauson, überlebte im Exil in Großbritannien.

 

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Biographische Zusammenstellung / Autor:

Indra Hemmerling

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Quellen:

  • Gedenkbuch Berlin. Online unter: bundesarchiv.de/gedenkbuch (aufgerufen 22. Oktober 2019).
  • Berliner Adressbücher 1904–1942. Online unter: zlb.de (aufgerufen am 22. Oktober 2019).
  • Opferdatenbank Yad Vashem. Central DB of Shoah Victims’ Names. Online unter: http://yvng.yadvashem.org (aufgerufen am 22. Oktober 2019).
  • Opferdatenbank Theresienstadt. Online unter: https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/46604-leopold-arnheim (aufgerufen am 22. Oktober 2019).
  • Deportationslisten. Reproduktion im National Archives and Records Administration, USA, Signatur A3355: Dr. Leopold Arnheim (3. „große Alterstransport“, Lfd-Nr. 254). Online unter: statistik-des-holocaust.de (aufgerufen am 22. Oktober 2019).
  • Holocaust Survivors and Victims Database. Online Database of the United States Holocaust Memorial Museum. Online unter: https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=1470882 (aufgerufen am 30. Juli 2019).
  • Eintrag zu Leopold Arnheim in der Genealogie-Datenbank Geni. Online unter: https://www.geni.com/people/Leopold-Alfred-Arnheim/6000000066956724862 (aufgerufen am 16. Oktober 2019).
  • Eintrag zu Eva Henriette Punitzer, geb. Pauson. Female Enemy Alien-Exemption from Internment-Refugee, Date: 10.11.1939. Online unter: https://discovery.nationalarchives.gov.uk/details/r/C15111736 (aufgerufen am 16. Oktober 2019).
  • Alfred Arnheim, Zur Casuistik der Zwerchfellshernien. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde, Gießen 1896. Online unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:355-ubr10316-3 (aufgerufen am 16. Oktober 2019).
  • Eintrag zu Dr. Alfred Arnheim, in: Schwoch, Rebecca (Hrsg.): Berliner jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch, Potsdam 2009, S. 50.